Anwalt – braucht keiner!

Ein Abgesang auf die Anwaltskaste.

Warum ich 100 Tage nach der Gründung meiner eigenen Kanzlei zu der Erkenntnis gekommen bin, dass kein Mensch mehr Anwälte braucht – zumindest nicht so, wie sich Anwälte oft präsentieren: rechthaberisch, belehrend, windig.

Eine kleine Denksportaufgabe:
Ordnen Sie folgende drei Begriffe in eine Reihenfolge, wen Sie morgen am wenigstens treffen wollen:

  1. Zahnarzt
  2. Steuerberater
  3. Anwalt

Sollte da jetzt bei Ihnen Anwalt als erstes stehen, liegt das sicher auch daran, dass unser Stand oft alles dafür tut, um belehrend, abgehoben, ja manchmal sogar rechthaberisch daher zukommen. Wir sind Meister darin, mit Fachbegriffen umherzuwerfen und schlicht den Eindruck zu erwecken, das Recht gepachtet zu haben. Dabei wandelt sich der Beruf des Anwalts aber gerade extrem. Künstliche Intelligenz übernimmt zunehmend weite Teile der Beratung, gerade in einfacher gelagerten Rechtsfällen.

Als ich den Entschluss gefasst habe, in Hameln, wo es nicht an Anwälten und Notaren mangelt, eine eigene Notariats- und Anwaltskanzlei zu gründen, habe ich mir also gründlich Gedanken gemacht, wie ich mich positionieren möchte, was ist der Mehrwert, den Menschen erfahren sollen, wenn Sie zu mir kommen? Rückblickend bin ich erstaunt, dass mit der Gründung natürlich sehr viele technische, steuerliche und rechtliche Dinge zu regeln waren, ich aber sehr viel Zeit mit der Formulierung der Texte für die Homepage, Auswahl der Einrichtung, der Kanzleifarbe usw. verbracht habe.

Im Gründungsprozess ist mir immer klarer geworden: In meiner Kanzlei soll es passgenaue Rechtsberatung und Vertretung für die jeweilige Situation geben und nichts „von der Stange“! Ich möchte, dass Menschen, die zu mir kommen, sich wohl fühlen. Ich möchte Ansprechpartner, Begleiter, Berater sein. Jemand, der in den schwierigen Situationen, die meistens mit dem Aufsuchen eines Anwalts einhergehen, da ist und mit meiner gesamten juristischen Kompetenz, im Arbeits-, Familien- und Erbrecht, sowie Notariat, zur Seite steht. Ich möchte eine verständliche Sprache sprechen, Juristenkauderwelsch „übersetzen“, den Menschen Sicherheit geben, wenn sie sich auf das unbekannte Terrain notarieller Verträge, Gerichtsprozesse und rechtliche Auseinandersetzung begeben.

Nach 100 Tagen kann ich sagen, dass das, was mich am meisten freut Sätze von Mandanten sind, die bestätigen, dass dieses Konzept ankommt. Es sind Sätze, wie: „Ach, ist das schön hier. Hier fühlt man sich wohl!“ „Ich bin so froh, dass jetzt alles geregelt ist!“ Gut, dass man Sie immer alles fragen kann!“ Ein Mandant, den ich in einer Familiensache vertreten habe, bat um Rückruf, da sein Arbeitgeber mit Kündigung drohte. Beim Telefonat sagte er mir: „Entschuldigung, ich war wohl etwas voreilig. Ich bin in der Gewerkschaft und die übernimmt die Beratung. Aber mein erster Gedanke war, als die Welt unter meinen Füßen zusammenbrach aufgrund der drohenden Kündigung, ich muss Frau Bahlmann anrufen!“ Solche Aussagen bestätigen mir, dass ich auf dem richtigen Weg bin. Natürlich gibt es auch noch vieles zu verbessern. Mit der Eröffnung haben wir einen richtigen Ansturm erlebt und gerade am Anfang alles angenommen. Ich glaube jeder, der gerade gegründet hat, kann das nachvollziehen. Hier bin ich dabei zu lernen, auch einmal „nein“ zu sagen, zu empfehlen, zu delegieren, Arbeitsabläufe zu verbessern…

Hier gibt es noch gut zu tun und wir haben uns das für die nächsten 100 Tage vorgenommen!